Die Geschichte der Tapete

Veröffentlicht am Juni 27, 2010

Seit jeher versuchen die Menschen ihre Wohnräume zu verschönern, und natürlich werden die Wände dabei nicht ausgespart. Doch zwischen den Höhlenmalereien der Steinzeit und unseren heutigen Tapeten liegt ein langer Weg mit wechselnden Moden, Materialien und Designs.

In den Burgen und Schlössern des Mittelalters mit ihren Steinmauern und zugigen Räumen hingen oft dicke, große Teppiche an den Wänden. Sie brachten nicht nur Farbe an die grauen Mauern, sondern isolierten gleichzeitig und hielten so in der kalten Jahreszeit die Wärme im Wohnbereich. Diese großformatigen und schweren Teppiche wurden mit der Zeit immer kunstvoller und dekorativer. Die wertvollen Arbeiten wurden Gobelins genannt und zeigten häufig in gewebten Bildern das Leben am Hof, Jagdereignisse, Fabeltiere und das höfisch-ritterliche Ideal, dem nachgeeifert werden sollte. Die Gobelins waren so teuer, dass die französischen Adligen sie meist mitnahmen, wenn sie ihre im Land verteilten Schlösser bereisten, um Diebstähle aus den verlassenen Landsitzen zu vermeiden.

Während man in Europa noch mit großen Teppichen reiste, kannte man im Orient schon die Ledertapete, die wesentlich preiswerter war. Sie war mit Mustern geprägt und teilweise vergoldet. Im 11. Jahrhundert brachten die Mauren diesen Wandschmuck erstmals mit nach Spanien. Nach dem Leder kam die farbenfrohe Pergamenttapete nach Europa. Was zunächst für die weniger Reichen lediglich eine Möglichkeit war, ihre Wände zu verzieren, erlangte im Laufe der Zeit in Form von Papiertapeten große Popularität.

Erste Tapezierversuche in Deutschland sind aus dem Jahr 1469 aus einigen Ortschaften am Mittelrhein bekannt. In ganz Europa wurden während der Renaissance (zwischen 1400 und 1600) mit Holzdrucktechnik bedruckte Tapeten populär. Die Motive ähnelten zunächst denen der Gobelins. Die Papierstreifen wurden sowohl wie einst die Wandteppiche lose aufgehängt, als auch festgeklebt wie die heutige Tapete. Es ist bekannt, dass Albrecht Dürer an Holzdrucken für Tapeten arbeitete und dabei sowohl bildhafte als auch ornamentale Darstellungen entwickelte. Erste handgemalte Papiertapeten fanden dann im 16. Jahrhundert durch große Handelsgesellschaften ihren Weg aus China nach Europa.

Auch Papier gab es zunächst nicht im Überfluss, so dass es keine Seltenheit war, dass man für die Tapeten Papier „recycelte“, indem man einfach die Rückseite bereits bedruckter oder beschriebener Dokumente nutzte. Ein Beispiel dafür findet sich am Christ’s College in Cambridge, England. Dort gibt es eine schwarz-weiße Tapete von 1509, bedruckt auf beiden Seiten – eine Seite Tapete, die andere eine Proklamation aus London.

Der große Erfolg der chinesischen Papiertapeten führte dazu, dass man auch in Europa, insbesondere in England und Frankreich, mit der Herstellung dieses Wandschmucks begann. Erste Papiertapetenmacher sind aus dem Jahr 1586 bekannt. Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Engländer die führende Nation in der Herstellung von Tapeten und belieferten den gesamten europäischen Kontinent, bis die Napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts dem ein Ende machten.

Lange Zeit wurden die Motive der Tapeten in mühsamer Handarbeit aufgedruckt. Erst Ende des 18. Jahrhunderts gab es erste Versuche, Tapetenfabriken mit maschinell betriebener Drucktechnik zu etablieren. Dazu wurden gravierende Kupferwalzen genutzt, die über zusammengeklebte Papierbahnen liefen. Jedoch war ein gleichmäßiges Bedrucken nicht möglich, da das Papier beim Zusammenkleben ständig Falten schlug – noch gab es keine Papierbahnen, die ähnlich wie Stoffballen in einer Länge produziert werden konnten.

Die Fabrik „Zuber & Cie“ in Rixheim war Anfang des 19. Jahrhunderts einer der Marktführer und stellte unter anderem anspruchsvolle Panoramatapeten her, die in dieser Zeit sehr modern waren. Heute sind sie zwar nicht mehr in Mode, dafür aber ausgesprochen wertvoll: Eine der Originaltapeten dieser Firma aus dem Jahr 1834 ließ Jackie Kennedy im Weißen Haus anbringen, eine andere wurde für 40.500 Dollar bei einer Auktion versteigert und ist damit die teuerste Tapete der Welt.

Der endgültige Durchbruch bei der Herstellung der Tapete, wie man sie heute kennt, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts erreicht, als ein französischer Papiermacher eine Maschine erfand, mit der man quasi endlose Papierrollen herstellen konnte. Die Mitte des 19. Jahrhunderts konstruierten Druckmaschinen machten dann den Weg zur kostengünstigen Massenherstellung endgültig frei. Ausdruck dafür sind die bürgerlichen Wohnungen des Biedermeier, für deren Räumen Tapeten mit den Mustern des Zeitgeschmacks nahezu unentbehrlich wurden.

Die Papiertapeten erlebten im Laufe des 19. Jahrhunderts den größten Boom, waren sie doch auch für Menschen mit geringem Einkommen erschwinglich und boten dazu eine Möglichkeit, die Enge und Dunkelheit, die in vielen Wohnungen der Arbeiter herrschten, mit bunten Mustern und Farben aufzuhellen. Ungefähr bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts waren Tapeten einer der populärsten Haushaltartikel in Europa. Auch heute wird noch viel tapeziert, allerdings nicht mehr so ausschließlich wie noch vor einigen Jahrzehnten.

Besonders beliebt waren und sind Raufasertapeten, die auch überstrichen werden können; Vliestapeten, die in den vergangenen Jahren immer mehr an Zuspruch gewonnen haben, weil sie ohne vorheriges Einweichen verklebt werden können und damit einfacher als Papiertapeten zu verarbeiten sind; Fototapeten, Bildtapete und Wandtattoos, die mit ausgefallenen und ausdrucksstarken Motiven Highlights setzen; und natürlich Bordüren, die schlichten Tapeten und Farben einen extra Hauch Klassik, Romantik oder Exklusivität verleihen.

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